WAS IST ZITIEREN-ESSAY

FROM CHANGE OF UTOPIAS TO UTOPIAS OF CHANGE

Utopien sind Idealformen der Zukunft, sie erscheinen nur oft unrealisierbar. Doch sollte es als Gestalter nicht unsere Aufgabe sein, Utopien zu erschaffen, die erreichbar sind? Denn genau solche Utopien sind doch die Basis für grundlegende Veränderungen in der Gesellschaft und nur durch solch ein Umdenken ist unserer Zukunft auf der Erde zu retten und der Klimawandel noch zu stoppen. Wie wird dann in Zukunft unser Leben aussehen und was können wir als ArchitektInnen dazu beitragen? 

In diesem Semester stellt sich das BAUKUNST STUDIO unter dem Motto „Formidable Fermentable“  diesen Fragen. Dazu haben wir bereits selbst fermentiert, Vorträge gehört und Literaturauszüge gelesen.

Erstmal ist es wichtig zu verstehen, dass nicht der Mensch im Zentrum der Welt steht, sondern er nur ein kleiner Teil eines großen Netzwerks ist. Die Welt besteht aus unzähligen Beziehungsverflechtungen und natürlichen Abhängigkeiten zwischen Lebewesen und ist durchzogen von Co-Kreationsprozessen. Ein Beispiel für eine Co-Kreation, bei der der Mensch nicht im Zentrum steht, ist die Fermentation.  Als eine artenübergreifende Praxis diente sie ursprünglich der Haltbarmachung von Lebensmitteln, wir verstehen dieses Semester die Fermentation als Referenz für Transformationsprozesse; eine Veränderung bei gleichzeitiger Bewahrung und Verfall. 

Wie Carolyn Merchant in ´Der Tod der Natur: Ökologie, Frauen und neuzeitliche Naturwissenschaft` schreibt, war Fermentation schon in den Anfängen der Naturwissenschaft ein Thema und wurde „als eine Quelle gewaltsamer Veränderung angesehen“ (S.308; Z. 34) und weiter heißt es, dass bereits für Newton „die Idee der Fermentation daher eine Möglichkeit (war), jenem »Tod der Natur« entgegenzuwirken, der dem mechanischen Universum innewohnte, einem Universum, das auf Passivität gründete und die innere Tendenz zu Verfall, Niedergang und Tod hatte” (S. 310; Z. 14-18). Denn durch die moderne Naturwissenschaft hat sich das anfängliche Weltbild hin zu dem, das die heutige Gesellschaft prägt, verändert. So hat sich der Mensch immer weiter von der Natur distanziert und das mechanistische Denken hat sich durchgesetzt. Seit da an wird das menschliche Handeln vom Kapitalismus bestimmt:  “Die lebendige, beseelte Natur ist gestorben, während das tote, seelenlose Geld mit Leben erfüllt worden ist” (S. 311; Z.22-24). 

Doch angesichts der Herausforderungen und Krisen, vor allem in Form des Klimawandels, die uns als Menschheit bevorstehen, ist es dringend notwendig dieses Verständnis der Erde und unseren Umgang mit ihr, zu hinterfragen. So heißt es in ´Wann wenn nicht wir* Ein extinction rebellion Handbuch`: “Die Wissenschaft formuliert es unmissverständlich: wir befinden uns mitten im sechsten Massensterben der Erdgeschichte! Wir steuern unaufhaltsam auf die Katastrophe zu – wenn wir nicht sofort und entschieden handeln“ (S. 10; Z. 9-12). 

Wenn das verstanden wurde, ist die große Frage, ob und wie uns das gelingen kann? 

Klar ist, “(d)ie Wunderwaffe (…) gegen die zivilisatorische Störung der Erdatmosphäre gibt es wohl nicht” (aus ´Der Klimawandel` von Stefan Rahmsdorf u. Hans Joachim Schellnhuber; S. 98; Z. 4-6).

Aber alle Autoren sind sich einig, dass es noch eine Chance gibt, doch nur dann, wenn ein radikales Umdenken stattfindet und zwar JETZT. 

Bei allen besonders hervorgehoben wird, dass ein solcher Umbruch nur gemeinsam passieren kann. Dafür ist es essenziell das Verständnis des Menschen als ein Individuum zu überkommen.

Merlin Sheldrake schreibt dazu in ´Verwobenes Leben: Wie Pilze unsere Welt formen und unsere Zukunft beeinflussen`: „Die Biologie – die Erforschung der Lebewesen – hat sich in Ökologie verwandelt, die Erforschung der Beziehungen zwischen Lebewesen” (S. 33; Z. 30-32). Es muss sich also die veraltetet Trennung von Mensch und Natur zugunsten eines, wie Bruno Latour es beschreibt, terrestrischen Weltbildes, auflösen. Nur so „können alle Kreaturen wieder am Leben teilhaben“ (aus ´Der Pilz am Ende der Welt` von Anna Lowenhaupt Tsing; S. 8; Z.3).  

Wir müssen unser zukünftiges Leben -wie auch die Architektur- terrestrisch, also der Erde und ihren Bewohnern zugewandt, und nicht mehr nur global gestalten, so beschreibt es Bruno Latour in ´Das terrestrische Manifest` (“das GLOBALE (erfasst) alle Dinge aus der Ferne (…), als wären sie außerhalb der sozialen Welt und gegenüber den Sorgen der Menschen völlig gleichgültig. Das TERRESTRISCHE erfasst dieselben Konfigurationen wie von Nahmen gesehen, als den Kollektiven inhärent und für das handeln der Menschen empfänglich, so dass sie darauf heftig reagieren; S. 80; Z. 5-11). 

Damit einher geht die posthumanistische Theorie von Rosi Braidotti, sie beschreibt in ´Posthumanismus: Leben jenseits des Menschen`„das Subjekt (als) eine Transversale Entität, immanent eingebunden in ein Netz nichtmenschlicher (tierischer, Pflanzlicher, viraler) Beziehungen” (S. 196; Z. 6-8).

Doch um die nötige Kraft der Gemeinschaft zu nutzen, müssen diese Erkenntnisse der Wissenschaft allen Menschen verständlich gemacht werden. Dafür, wie Rahmsdorf und Schellnhuber meinen, „(braucht es) neben der “sichtbaren Hand” des Staates (…) vor allem aber ein Narrativ, eine gute Geschichte der Transformation, in der die Menschen gerne vorkommen wollen” (S. 127; Z. 24-26).

Und darin liegt meiner Meinung nach die Aufgabe für uns als ArchitekturstudentInnen; unser Ziel sollte es sein solche Narrative -erreichbare Utopien- zu gestalten. Denn “ändern wir die Erzählung, wer weiß, was dann möglich ist? Akzeptieren wir die kranke Vorstellungswelt der Kultur, die wir geschaffen haben, dann können wir sofort anfangen, die Todesopfer zu zählen“ (aus´Wann wenn nicht wir* Ein extinction rebellion Handbuch`; S. 224; Z. 5-8).

Wie Donna Haraway in ´Unruhig bleiben. Die Verwandtschaft der Arten im Chthuluzän` passend zusammenfasst, ist es in diesem Zuge „dringend notwendig, gemeinsam und neu, quer zu historischen Differenzen und zwischen allen möglichen Wissensformen und Expertisen zu denken“ (S. 16; Z. 24-26).

Auch in „Utopias of Change“ wird, genau wie in den Literaturauszügen, gefordert das menschliche Leben auf der Erde und damit auch die Architektur grundlegend zu  reformieren, um den aktuellen Zustand, ausgelöst durch fehlende Achtsamkeit und maßlose Überschätzung, zu überkommenen und eine ökologisch stabile Erde zu schaffen. 

Es ist also festzuhalten, dass es ein sofortiges, radikales Umdenken braucht, um den Klimawandel zu stoppen und damit die Zukunft der Erde zu retten. Die Menschen müssen dafür lernen sich als ein winziger Teil  eines riesigen Ökosystems, bestehend aus unzähligen Beziehungsverflechtungen, zu sehen. Die Trennung von Mensch und Natur muss sich auflösen und zu einem terrestrischen Weltbild werden. Das bedeutet auch für uns ArchitektInnen terrestrisch zu bauen, also alle Lebewesen und Pflanzen in unsere Entwürfe miteinzubeziehen und nicht mehr nur die Menschen. Ein erstes Beispiel dafür ist der Bau unserer eigenen Ferm-Kitchen dieses Semester. So eine radikale Veränderung kann aber nur in der Gemeinschaft gelingen, deshalb müssen Narrative geschaffen werden, um alle Menschen bei der Reise mitzunehmen. Auch hier kann die Architektur mit dem Gestalten von erreichbaren Utopien etwas zum Wandel beitragen; ganz nach dem Motto: FROM CHANGE OF UTOPIAS TO UTOPIAS OF CHANGE.