ESSAY NOAH

Die Welt befindet sich in einer nie zuvor dagewesenen Krise. Diese Klimakrise ist vom Menschen gemacht und derselbe sucht nun verzweifelt nach Lösungsansätzen, um unserer Erde aus dieser misslichen Situation zu helfen.

Der Bausektor ist einer der treibenden Kräfte der Umweltzerstörung und des Klimawandels.

Das BAUKUNST STUDIO in dem Lehrstuhl Wohnbau an der staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart versucht Lösungsansätze zu suchen und zu diskutieren, damit werdenden Architekten neue Sichtweisen des Problems dargelegt werden, um letztlich neue Antworten für das Problem zu entwickeln.

Der Klimawandel ist vom Menschen und seinem Handeln ausgelöst und somit spielen wir in diesem Vorgang tatsächlich eine zentrale Rolle. 

Die Lehre des Baukunststudios basiert auf der Annahme, dass die Weltanschauung der Bevölkerung geändert werden muss, um unser Handeln tatsächlich nachhaltig zu verbessern und zu einem ökologisch sinnvollen Verhalten weiterzuentwickeln. Ein anthropogenes Weltbild, geprägt von patriarchalen und kapitalistischen Denkweisen ist nicht förderlich und völlig veraltet. 

Die Welt beziehungsweise die Realität sei viel eher eine Verflechtung von gleichwertigen Beziehungen. Der Mensch ist aus dem Zentrum der Aktivität zu verdrängen. Die Welt und das Leben darauf soll als interdisziplinäre Zusammenarbeit aufgefasst werden. So ist es die Aufgabe eines Architekten Transformations-Strategien für die Zukunft einer Erde zu Entwickeln. Anthropogene Kontexte werden zu terrestrischen Modellen eines Zusammenlebens von allen Lebewesen transformiert. (vgl. Studiobrief)

„FROM CHANGE OF UTOPIAS TO UTOPIAS OF CHANGE”

Zum Verständnis dieses Weltbildes und der Lösungsansätze des Lehrstuhls werden die Studierenden mit reichlich Textmaterial und Begleitliteratur ausgestattet.

Ein ähnlich drastisches Verlangen nach Veränderung beschreiben auch die Autoren Rahmsdorf und Schellnhuber in Ihrem Buch Der Klimawandel: „Unsere moderne Weltgesellschaft mit ihren nahezu unbeschränkten Möglichkeiten der nachhaltigen Zukunftsgestaltung sollte stattdessen den Geist der ökonomischen und sozialen Erneuerung aus der Flasche lassen.“ (S. 134)

Eine Rückbesinnung zur Natur wäre essenziell. Anstatt die Natur mit unserer Lebensweise Tag täglich zu schänden, sollten wir viel eher im Einklang mit ihr leben. Carolyn Merchant beschreibt in dem Buch „Der Tod der Natur“ diesen Bruch mit der Natur. „Um 1500 sah man den Kosmos als einen lebendigen Organismus, in dem alle Teile miteinander verbunden waren, um 1700 war die Maschine zur dominanten Metapher geworden.“ (S. 311)

Die Welt ist ein komplexes Geflecht an Co-Creationen und Symbiosen. Der Mensch stellt hier keine Ausnahme dar, auch wenn die Menschheit sich als die vermeintlich intelligenteste Spezies sieht. Der Mensch ist fälschlicher weise der Auffassung, er stände über allen anderen Lebewesen, Pflanzen und Mikroorganismen des Planeten. Der terrestrische Blick im Gegenzug beschreibt unsere Umwelt als eine Co-Creation in der alle Lebensformen ihre Nische besetzen und eine entscheidende Funktion ausführen. Der Mensch ist abhängig von Co-Creationen, Symbiosen und anderen Lebewesen.

„Die Zahl der Mikroben, die wir mit uns herumtragen, ist größer als die unserer „eigenen“ Zellen.“ (S.32) „Symbiose ist ein allgegenwärtiger Aspekt des Lebendigen.“ (S.33) „Die Biologie – die Erforschung des Lebens hat sich in Ökologie verwandelt, die Erforschung der Beziehung zwischen Lebewesen.“ (S.33) Erklärt Merlin Sheldrake in „Verwobenes Leben“.

Wie wichtig diese Co-Creationen und Symbiosen, also die Zusammenarbeit unterschiedlichster Lebewesen ist, beschreibt auch Lynn Margulis in dem Buch „Der Symbiotische Planet oder wie die Evolution wirklich verlief“. „Die Symbiogenese war der Mond, der die Flut des Lebens aus den Tiefen der Ozeane auf das trockene Land und hinauf in die Lüfte zog.“ (S.147)

Ein gesunder Planet kann nur durch Ausgewogenheit entstehen. Kein Lebewesen ist wichtiger als das andere, nur so kann das Ökologische Gleichgewicht, welches diesen Planeten belebt bestehen bleiben. Die Vorstellung des scheinbar Überlegenen Menschen muss vergessen werden und durch die Erkenntnis des Co-Habitats ersetzt werden. Streng genommen kann jede Pflanzen- oder Tierart durch die Fähigkeit des Überlebens als intelligent betrachtet werden, behaupten Stefano Mancusso und Alessandra Viola in „Die Intelligenz der Pflanzen“

„Ist also überhaupt eine Schwelle erkennbar, ab der wir auf einmal von Intelligenz sprechen müssten, oder ist Intelligenz nicht vielmehr und evolutionsgeschichtlich korrekter etwas, das allem Leben innewohnt!“ (S.146)

Im Endeffekt ist die Natur der Grundstein des Lebens und sollte so in unsere Entscheidungen mit einbezogen werden und auch in dieser Form respektiert werden.

Im BAUKUNST STUDIO wird versucht, diese Überlegungen in einem ersten Projekt anzuwenden: „Formidable Fermentable“. Hier wird ein Ausschnitt aus einer terrestrischen Wohnung geplant. Eine Küche, in welcher im Einklang mit der Natur gearbeitet wird und man sich diese zu Nutze macht. Mit Hilfe von Bakterien-, Pilz- oder Zellkulturen werden Lebensmittel haltbar und schmackhaft gemacht. Man arbeitet gezielt mit Mikroorganismen, ein zusammenleben aller Lebewesen. Die „Ferm-Kitchen“, der erste Schritt von einer Utopie zu einer gelebten Welt.