Was ist zitieren? A-C

Essay:

Für einen großen Teil der Geschichte hielten wir Menschen uns selbst für die “Krone der Schöpfung”. Dies wird so bereits im ersten Buch Mose so beschrieben und bleibt bis heute ein Teil des modernen kapitalistischen Narrativs. Erfolgreiche Konzepte setzen sich im Überlebenskampf aus eigener Kraft gegen weniger angepasste Konzepte durch, was zu einer ständigen Optimierung führt. Der Drang zum stetigen Fortschritt, der stark in den politischen Überzeugungen von modernen Liberalen verankert ist, stammt auch von dem Gedanken des ständigen Wettkampfes um Ressourcen in der Natur. Nach diesem in der Evolutionsbiologie veralteten Gedankengut stehen die unterschiedlichen Individuen und Parteien in einem System, sich gegenseitig als Konkurrenten gegenüber, die es zu übertreffen gilt. Unter diesem Gesichtspunkt würde man den Homo Sapiens durchaus als eine sehr erfolgreiche Spezies betrachten. Im Laufe der Geschichte entwickelte sich der Homo Sapiens, der in seiner Nische als Aasfresser und Opportunist zunächst eher als Beutetier galt, zu einem gefürchteten Jäger. Die Megafauna verschwand in unterschiedlichsten Bereichen beinahe zeitgleich mit den ersten Anzeichen auf menschliche Niederlassungen. Auf der Basis dieser “Erfolgsgeschichte” entwickelte sich das moderne kapitalistische Narrativ. Das “Recht des Stärkeren” wird nach diesem Narrativ als Naturgesetz gesehen. Wer nicht die Kraft hat, aus eigener Kraft zu überleben, hat demnach kein Recht auf Existenz. 

In der Natur ist dies jedoch keineswegs der Fall. Viele der komplexesten und größten Organismen könnten ohne Hilfe durch andere Lebewesen nicht überleben. So sind viele Bäume auf mikroskopische Mycelienfilamente oder viele Säugetiere auf Bakterien und Mikroben im Verdauungstrakt angewiesen ohne die das Überleben eines Individuums kaum möglich wäre. Wir sind keineswegs die “Krone der Schöpfung” oder etwas Gleichartiges, sondern nur eine größenwahnsinnige Spezies mit Gottes-Komplex. Damit ein Ökosystem funktioniert, werden unterschiedlichste Organismen benötigt, die in Zusammenarbeit ein unvorstellbar großes und komplexes System erschaffen. Dieses System beeinflussen alle Wesen mit der gleichen Qualität, nur in unterschiedlicher Quantität. Ob Prokaryont, Archaea oder Eukaryont ist hierbei von keiner Relevanz. Das System steht in ständigem Wandel, wobei ein stetiger Austausch sowie Regulierung in den Ökosystemen stattfindet. Wir beeinflussen jedoch eine Vielzahl solcher Ökosysteme in ungeheurem Ausmaß, obwohl wir kein natürlicher Teil dieser Systeme sind oder diese überhaupt verstehen. Die Komplexität eines Ökosystems kann von Menschen trotz unserer Intelligenz weder rekreiert werden noch in ihrer Gesamtheit überhaupt begriffen werden.

Newtons Mathematisierung unseres Weltbildes ermöglichte uns eine veranschaulichende, mechanistische Naturanalyse. Damit kam die Realisierung über unsere eigene Unbedeutsamkeit in der Gesamtheit des Universums, sowie die Möglichkeit, verschiedene Parameter auf Kohärenz zu überprüfen, was uns einen Einblick in die Funktionsweise eines so komplexen Systems ermöglicht. Wir sind heute in der Lage, unsere Fehler der Vergangenheit ziemlich genau zu analysieren, doch bleibt unsere Gesellschaft trotz der Erkenntnisse großteils unverändert.

Zwar werden einem heutzutage Begriffe wie Nachhaltigkeit, CO2-Neutralität oder Rezyklierbarkeit an jeder Ecke hinterhergeworfen, doch scheint sich trotzdem nichts zu verändern. Das liegt an einer Vielzahl von Gründen, doch ist es für Konzerne und Firmen in unserem System nicht wichtig wirklich nachhaltig zu sein, sondern vielmehr nachhaltig zu wirken. Das Ziel von Konzernen ist eher nicht durch das Verwenden von 30% recyceltem Plastik die Umwelt zu retten, sondern sich selbst in Werbespots und Gesprächen mit Investoren besser dastehen zu lassen. In einem fast ausschließlich auf Profit basierten System ist ein wahrhaftiger Nachhaltigkeitsgedanke fehl am Platz. Wir müssen unseren gesamten Lebensstil, sowie unsere Wirtschaft und Politik eigentlich von Grund auf neu denken, wenn wir in der Lage sein wollen, in einer tatsächlich symbiotischen Beziehung mit unserer Umgebung zu leben. Die von Schellnhuber erwähnte Weltsozialproduktmaximierung stellt dar, wie dies gleichzeitig auch zu sozialer Ungerechtigkeit führt. Wir merken daher dass unsere Derzeitigen Strukturen nicht auf eine Lösung des Problems ausgelegt sind, sondern darauf den ständigen Fortschritt zu predigen, während man auf der Stelle läuft.

Unsere heutige Gesellschaft ist derzeit dabei, die gesamte Welt ohne Rücksicht nach seinen Ansprüchen zu formen, anstatt zu versuchen, mit der uns umgebenden Natur eine symbiotische Beziehung einzugehen. Zwar sind wir nach unserem Wissen die einzigen Lebewesen, die Worte oder Konzepte wie Biodiversität oder Symbiose verstehen, doch scheint es uns immer noch unmöglich unser Verhalten den Bedürfnissen unserer Umwelt anzupassen, da wir uns immer noch als Spitze eines hierarchischen Systems sehen. Ohne ein gesellschaftliches Umdenken in diesem Gebiet wird eine wirklich nachhaltige Zukunft unserer Gesellschaft nicht möglich sein. 

Zitate:

Rahmstorf Schellnhuber 

Denn eine internationale Politik, welche den ungebremsten Klimawandel billigend in Kauf nähme, würde fast alle Lasten der kostenlosen Nutzung der Atmosphäre als Müllkippe den kommenden Generationen in den besonders klima sensiblen Entwicklungsländern aufbürden. Viele nichtstaatliche Umweltgruppen empfinden diese Perspektive als amoralische Krönung der historischen Ausbeutung der “Dritten Welt” durch die Industrieländer.

Es geht hier also in erster Linie nicht darum, die potentiellen Klimaschäden auf null zu drücken. Sind die entsprechenden Maßnahmen volkswirtschaftlich zu kostspielig, dann muss man eben auf sie verzichten.

Optimierung bedeutet: Jede CO2-Emission, die global mehr Nutzen als Schaden bringt, ist nicht nur erlaubt, sondern erwünscht. Eine Emission, die den Verursachern  100 Milliarden US-Dollar Nutzen bringt, die aber anderswo 99 Milliarden US-Dollar Schaden verursacht, ist damit ausdrücklich erwünscht. Man versteht den Charme, den dieser Ansatz gerade für US-Ökonomen hat. Die Inuit Alaskas und Kanadas wären dagegen vermutlich weniger begeistert, wenn ihre Lebensräume auf dem Altar der Weltsozialproduktmaximierung geopfert würden.

Alle Überlegungen sind geprägt von der Grundannahme, dass die Weltwirtschaft im 21. Jahrhundert rasant weiter wachsen und sich dies in einem deutlich gesteigerten globalen Bedarf an Energiedienstleistungen widerspiegeln wird. 

Eine der fundamentalen naturwissenschaftlichen Randbedingungen der Klimapolitik ist die Tatsache, dass insgesamt nur noch eine begrenzte Menge an CO2 ausgestoßen werden kann, wenn die globale Erwärmung auf 2 Grad (oder irgendeinen anderen Wert) begrenzt werden soll. Emittieren wir heute mehr, bleibt für morgen nur noch weniger übrig. Das liegt an der Verweildauer von CO2 in der Atmosphäre – die Erde verzeiht uns vergangene Sünden nur sehr langsam. Diesen begrenzten “Kuchen” an noch vertretbaren Emissionen gilt es also, gerecht aufzuteilen. 

Warum aber setzen sich  Städte an die Spitze der Klimaschutzbewegung? Generell gilt, dass das System Stadt die ideale geographische Einheit darstellt um integrierte Lösungen des Klimaproblems zu organisieren, also geeignete Kombinationen von Vermeidungs- und Anpassungsmaßnahmen im direkten Dialog mit den konkreten Akteuren zu planen und zu erproben.

Neben der “sichtbaren Hand” des Staates braucht es vor allem aber ein Narrativ, eine gute Geschichte der Transformation, in der die Menschen gerne vorkommen wollen. (…) Inspiriert durch das “Mooresche Gesetz” – die Leistungsfähigkeit von elektronischen Schaltkreisen verdoppelt sich seit den 1960ern etwa alle zwei Jahre – wird ein “Kohlenstoffgesetz”  für die Zeitgerechte Dekarbonisierung der Weltwirtschaft vorgeschlagen: Alle zehn Jahre von heute an muss sich der Weltweite Ausstoß von Treibhausgasen halbieren.  (s.127 unten)

Bennet 

Chips essen bedeutet, sich in ein Gefüge hineinzubegeben, in dem das Ich nicht unbedingt der entscheidende Akteur ist. Chips stellen die der Roper-Umfrage implizit zugrunde liegende Annahme infrage, bei dem, was Menschen “wollen”, handele es sich um eine persönliche Vorliebe, die gänzlich auf die Menschen selbst zurückgehe.

In einem linearen System entspricht die kombinierte Wirkung zweier unterschiedlicher Ursachen lediglich der Summe der einen und der anderen Ursache. In einem nichtlinearen System  können sich aber daraus, dass zu einer bereits vorhandenen Ursache eine weitere, auch geringfügige, hinzu kommt, dramatische Wirkungen ergeben, die zum Maßstab der hinzugekommenen Ursache in keinem Verhältnis stehen.

Kass legt ein Modell menschlicher Ernährung vor, das am Konzept der Eroberung orientiert ist. Die verzehrten Tierkörper, Pflanzen, Bakterien, Metalle, synthetischen Hormone und Spurenelemente, das Dioxin und die übrigen industriellen Abfallprodukte werden als inaktive, formbare Materialien aufgefasst, die menschlicher Verwendung harren.

Die Bewegung neigt dazu Essen als Ressource oder Mittel anzusehen, und schreibt dadurch die Vorstellung fest, bei nichtmenschlicher Materialität handle es sich im Grunde um eine passive Angelegenheit, gänzlich auf der einen Seite einer ontologischen Unterscheidung von Leben und Materie angesiedelt.

Merchant

Die Mathematisierung des Weltbildes, die in Newtons »Principia« entwickelt wird und, wie gesagt, auf dem Dualismus von passiver Materie und äußerer Kraft basiert, verkörpert den Siegeszug der mechanistischen Naturanalyse. Das mechanistische Denken tilgt aus der Beschreibung der Natur alle Konzepte, die in der älteren organischen Naturbeschreibung entscheidend waren – räumliche Hierarchie, Wert, Zweck , Harmonie, Form – , kennt nur noch eine materielle und eine bewirkende Ursache: Materie und Kraft. Bewegung ist kein organischer Prozess, sondern der temporäre Seinszustand eines Körpers im Verhältnis zum Bewegungs- oder Ruhezustand anderer Körper.

 Leibniz dynamischer Vitalismus war also der genaue Gegensatz zum “Tod der Natur”. In diesem Vitalismus seines späteren Denkens erkennen wir eine organische Ausrichtung, die man, wie den Vitalismus seiner Vorgänger mit seiner Ehrfurcht vor der Alllebendigkeit des Kosmos, als unausbeuterisch auffassen kann; der Begriffsrahmen selbst enthält und gebietet normative Handlungshemmungen, Leibniz Prinzip der selbstgenügsamen inneren Entwicklung, das für die organische Weltsicht im Mittelpunkt stand, befand sich in deutlichem Gegensatz zu der mechanistischen Theorie, dass Veränderung reaktiv geschehe – als Ergebnis äußerer Einflüsse auf eine passive Größe.

In einem uhrwerkartigen, mechanischen Universum, das scheinbar nur von den Gesetzen der passiven Materie regiert wird, ist ein Modus für das kontinuierliche Wirken und die providenzielle Sorge Gottes wesen dich. Es ist notwendig, dass Gott neue Bewegung stiftet und die Tätigkeit des Kosmos erneuert; denn dass es im Weltsystem Verfall und Verschlechterung gibt, ist unübersehbar. 

Newtons Antwort auf das Problem der Revitalisierung des Kosmos war, die Bewegung des Kosmos um “aktive Prinzipien” wie Gravitation und Fermentation zu ergänzen. Ohne diese aktiven Prinzipien würden “die Körper der Erde, Planeten, Kometen, Sonne und alle Dinge in ihnen abkühlen und erfrieren und zu untätiger Masse werden (… ) und die Planeten und Kometen würden nicht in ihrer Bahn bleiben”. Für Newton war die Idee der Fermentation daher eine Möglichkeit, jenem “Tod der Natur” entgegenzuwirken, der dem mechanischen Universum innewohnte, einem Universum, das auf Passivität gründete und die innere Tendenz zu Verfall, Niedergang und Tod hatte.

 Die “natürliche” Wahrnehmung einer geozentrischen Erde in einem endlichen Kosmos hat dem “unnatürlichen” “Faktum” eines heliozentrischen unendlichen Universums Platz gemacht. Eine Selbstversorgungswirtschaft, in der Ressourcen, Güter, Geld oder Arbeitskraft gegen Waren getauscht wurden, ist vielerorts einer tendenziell unbegrenzten Proficakkumulierung auf einem internationalen Markt gewichen. Die lebendige, beseelte Natur ist gestorben, während das tote, seelenlose Geld mit Leben erfüllt worden ist.

Tsing 

Eines der merkwürdigsten Privatisierungs- und Kommerzialisierungsprojekte des frühen einundzwanzigsten Jahrhunderts ist die Tendenz gewesen, auch die Forschung zu kommerzialisieren. Zwei Versionen sind überraschend schlagkräftig geworden. In Europa werden von offizieller Seite Assessment-Übungen verlangt, die die Arbeit von Wissenschaftlern auf eine Zahl, einen Gesamtbetrag für ein Leben des intellektuellen Austauschs reduzieren. In den Vereinigten Staaten wird von uns Forschern erwartet, dass wir zu Unternehmern werden, uns als Marke etablieren und von den ersten Tagen des Studiums an, wenn wir noch grün hinter den Ohren sind, daran arbeiten, uns zum Wissenschaftsstar zu formen

Einer, der im Wald umherstreift, kann abgrasen, was ihm gefällt, und sich auch die Stellen unverhoffter Fülle zunutze machen. Für den Wald muss man aber unentwegt arbeiten, nicht um ihn zu einem Garten zu machen, sondern um ihn offen und einer Vielzahl von Arten zugänglich zu halten.

Die Wissenschaft und das Wissen im Allgemeinen einer kosmopolitischen Geschichte zu öffnen, ist eine dringende Aufgabe. Die Matsutake-Wissenschaft in Japan bietet sich als ideales Feld an, um die Überschneidungen von wissenschaftlichem und volkstümlichem Wissen sowie die von international geprägter und örtlicher Expertise zu verstehen. 

Ihr Vorschlag lautet stattdessen, beim Geschichtenerzählen verschiedene bedeutsame und belangvolle Dinge aufzulesen und sie einzusammeln, also eher wie ein umherziehender Sammler vorzugehen als wie ein Jäger, der es ,auf fette Beute abgesehen hat. Bei dieser Art des Geschichtenerzählens sollten die Geschichten nie enden, sondern zu weiteren Geschichten führen.

Bruno Latour

Aber wer sich der “wissenschaftlichen Realität” dadurch entgegenstellen will, dass er sich eine intimere, subjektive, stärker verwurzelte, globalere, eine  wenn man möchte “ökologischere” Methode ausdenkt, um unsere Bande zur Natur zu zerschneiden , wird auf beiden Ebenen verlieren: Er wird die der Tradition entlehnte Vorstellung von “Natur” beibehalten, sich zugleich aber um den Beitrag der positiven Erkenntnisse bringen. 

Während man eine Fülle von Phänomenen vor Augen hatte, die nur darauf warteten durch positives Wissen erkannt zu werden, hat man sich willentlich davon entfernt und in einer Art sadistischer Askese aus allen erreichbaren Bewegungen, nur die herausgefiltert, die man von Sirius aus hätte sehen können. Jede Bewegung hatte sich dem Modell der fallenden Körper anzupassen. Dabei lag dieser sogenannten “ mechanistischen”  Weltsicht eine sonderbare Metapher zugrunde,die selbst auf einer ungenauen Vorstellung von der Funktionsweise wirklicher Maschinen beruhte.

Die Ideale von Rationalität wie die Anklagen von Irrationalität, die in Bezug auf die Erde und die Erdbewohner im Umlauf sind? Nichts als Luftschlösser, Einbildungen, Phantasmagorien…

In einer absonderlichen Perversion der Metaphern des Gebärens entstand die Vorstellung, dass “endlich in der Modernität geboren wird”, wer nicht mehr von diesen einstigen Entstehungsformen abhängt. 

Sheldrake

Viele dramatische Ereignisse auf der Erde resultierten – und resultieren bis heute – aus der Tätigkeit von Pilzen. Pflanzen konnten vor rund 500 Millionen Jahren nur deshalb den Übergang von Wasser zum Land vollziehen, weil sie mit Pilzen zusammenwirkten, die ihnen für Dutzende Jahrmillionen als Wurzelsystem dienten, bevor die Evolution sie mit eigenen Wurzeln ausstattete.

Die Lebewesen aus der rätselhaften Gruppe Prototaxites (…) waren für mindestens 40 Millionen Jahre die größten lebenden Gebilde auf dem trockenen Land, was dem Zwanzigfachen der Zeit entspricht, in der es die Gattung Homo gibt. Bis heute werden neue Ökosysteme an Land von Pilzen begründet. Wenn Vulkaninseln entstehen oder Gletscher sich zurückziehen und nacktes Gestein freilegen, sind Flechten – eine Verbindung aus Pilzen und Algen oder Bakterien – die ersten Lebewesen, die sich ansiedeln. Sie bereiten den Boden, auf dem Pflanzen später Wurzeln schlagen können. 

Ich lernte, dass die meisten Pflanzen auf Pilze angewiesen sind, die sie mit Nährstoffen aus dem Boden wie Phosphor und Stickstoff versorgen, und dass sie im Gegenzug energiereiche Zucker und Lipide liefern, die sie durch Photosynthese produziert haben – den Prozess, bei dem Pflanzen das Kohlenstoffdioxid aus der Luft aufnehmen. Die Beziehung zwischen Pflanzen und Pilzen brachte die Biosphäre in ihrer heutigen Form hervor und ist bis heute für das Leben an Land unentbehrlich. Und doch schien es mir als wüssten wir nur sehr wenig. Wie entstehen solche Beziehungen? Wie kommunizieren Pflanzen und Pilze miteinander? 

Als ich der Pilzhyphe in eine höhlenähnliche Wurzel folgte fiel mir auf, was diese für einen Zufluchtsort bot. Hier waren nur sehr wenige andere Pilzarten anwesend ; und mit Sicherheit gab es hier weder Würmer noch Insekten. Hier war ein sicherer Hafen, und ich konnte mir gut vorstellen, dafür zu bezahlen. Vielleicht war es das, was die blauen Blumen den Pilzen als Gegenleistung für die Nährstoffversorgung boten?  Obdach vor dem Sturm?

Mancuso Viola

Intelligenz gehört untrennbar  zum Leben. Selbst der niederste Einzeller muss darüber verfügen, weil auch er in seinem Daseinskampf fortlaufend vor Problemen steht, die er lösen muss – und die den unseren im Übrigen ähnlich sind. (..) Kein Lebewesen ist ohne Intelligenz denkbar. Diese Tatsache sollte uns aber nicht über die Maßen beunruhigen, denn offenkundig ist der Mensch weit intelligenter als Bakterien oder Algen. Allerdings ist dieser Unterschied, und da rauf kommt es an nur quantitativer und nicht qualitativer Art. 

Bei Pflanzen sind die Gehirnfunktionen nicht von anderen Körperfunktionen getrennt, sondern in allen Zellen verfügbar – und ein lebendes Beispiel für das, was in der künstlichen Intelligenz embodied agent heißt : Der intelligente virtuelle Agent tritt über einen autonomen Körper mit der Welt in Kontakt. Wie wir gesehen haben, hat die evolutionäre Entwicklung der Pflanzen zu einem modularen Körperbau geführt, der die pflanzlichen Funktionen nicht in einzelnen Organe konzentriert, sondern im gesamten Organismus verteilt. Durch diese strategische Grundsatzentscheidung ist das Leben der Pflanzen selbst dann nicht bedroht, wenn sie Teile ihres Körpers verlieren. (…) Warum sollte es ihnen also an Intelligenz fehlen, nur weil sie kein Gehirn besitzen?

Braidotti 

Unsere Psyche- mit ihren affektiven phantasiebefrachteten, triebhaften Komplikationen – wäre dann für immer in eine statische, von der selbst reproduzierenden Macht des despotischen Herrensignifikanten beherrschte Zelle verbannt. Dieses, traurige Bild eines Subjekts, das an die Bedingungen seiner Ohnmacht gekettet ist, stellt für alle vitalistischen “Materie-Realisten” eine schlicht inadequate Vorstellung von unserem Sein im Prozess des Werdens dar. 

Prophetische oder visionäre Geister sind Denker und Denkerinnen der Zukunft. Die Zukunft als aktives Objekt des begehrens treibt uns voran und lässt uns aktiv werden im Hier und Jetzt einer Gegenwart, die nach Widerstand und entgegenwirkenden Alternativen verlangt. Das Verlangen nach nachhaltigen Zukunftsformen kann eine lebbare Gegenwart aufbauen.  

Menschliche Verleiblichung und Subjektivität machen gegenwärtig eine grundlegende Umwälzung durch. Wie alle, die in einer Übergangszeit leben, sind wir uns nicht immer darüber klar, wohin die Reise geht, oder auch nur dazu imstande zu erklären, was wir eigentlich mit uns und um uns herum geschieht. Manche dieser Ereignisse versetzen uns in Angst und Schrecken, während uns andere freudig erregen. Es ist, als würden unsere gegenwärtigen Verhältnisse beständig die Türen unserer kollektiven Wahrnehmung aufstoßen, uns dazu zwingen, das Brausen der kosmischen Energie zu vernehmen, das sich jenseits der Stille erhebt, damit wir das Ausmaß dessen erfassen, was möglich geworden ist.