AUFGABENSTELLUNGEN

#1 WAS IST WOHNEN
(und wie wohne ich)?

Wohnen ist für das menschliche Leben unerlässlich. Dabei bezeichnet das Verb wohnen im engeren Wortsinn keine Tätigkeit, und es würde vielen wahrscheinlich sogar ziemlich schwerfallen, geeignete Worte zu finden, um all das zu fassen, was sie eigentlich tun und womit sie beschäftigt sind, wenn sie wohnen.1 Was also tun wir, wenn wir wohnen? Die Vielzahl der Tätigkeiten, die wir unter diesem Begriff zusammenfassen, drücken Lebensnotwendigkeiten aus: schlafen, essen, kochen, sich waschen und sich erholen.
 
Die moderne Ausdifferenzierung der Lebenswelt weist wohnen dem Bereich der Reproduktion zu, d.h. der Regenerierung der Arbeitskraft, während arbeiten, die Welt der Produktion, räumlich davon getrennt stattfindet. Die funktional-räumliche Trennung, die sich historisch im Zusammenhang mit der kapitalistischen arbeitsteiligen Produktionsweise herausbildete, ging von Beginn an zu Lasten der sozialen und kulturellen Kohäsion der Stadt.
 
Von den ökologischen Folgen, die immer deutlicher zu Tage treten, ganz zu schweigen. Wir kommen nicht umhin, die normative Ableitung des Lebens aus den monofunktionalen Architekturen des Wohnens und Arbeitens und die darin einbetonierten politischen und ökonomischen, habituellen und kulturellen, hierarchischen und gesellschafts-spezifischen Verhältnisse in Frage zu stellen.2
 
„WAS IST WOHNEN (und wie wohne ich)?“ – Im Kinderzimmer bei den Eltern, in der Wohngemeinschaft, in der Kneipe oder auch im Studio an der Akademie, vielleicht sogar in den Zeiten und Räumen dazwischen, in Bahn und Auto. Welche neuen Möglichkeiten der physischen und virtuellen Präsenz bei Wohnen, Arbeit und Freizeit ergeben sich durch die neuen Kommunikationsmedien? Wie nahe rücken für mich Produktion und Regeneration zusammen und wie weit die Funktionen des Wohnens örtlich auseinander? Wohne ich alleine oder gemeinsam mit anderen Menschen? Wohnen andere Lebewesen mit mir in der Wohnung, im Haus, im Garten, im Quartier? Sind es Pflanzen und Tiere? Welche?
 
Was hat mein alltägliches Wohnen mit “Arts of living in the post capitalocene” gemein? Wie verändern sich meine Vorstellungen vom Wohnen durch unsere Forderungen aus “FROM CHANGE OF UTOPIAS TO UTOPIAS OF CHANGE”? Wo siehst du Zusammenhänge mit unserem Studio Brief?
 
„WAS IST WOHNEN (und wie wohne ich)? “- Stellt dich vor die Aufgabe, mit deiner Mitwelt über den Begriff wohnen zu recherchieren und zu diskutieren. Dokumentiere das gemeinsame Forschen und deine vorläufigen Erkenntnisse daraus audiovisuell.
 
A)    Konzipiere und produziere ein Video mit ca. 3 Minuten Länge zum Thema und gestalte dazu einen Eintrag im Studio-Blog.
–        Abgabe als Eintrag im Studio-Blog: So, 23.10.22
–        Präsentation im Vertical Studio: Mo, 24.10.22, 13.00 Uhr
 
B)    Beschreibe deine Wohnsituation in Text und in vier Grundrisspläne in verschiedenen Maßstäben und gestalte dazu einen Eintrag im Studio-Blog: Küche 1:50, Wohnung 1:200, Haus 1:500, Quartier 1:1000
–        Abgabe als Eintrag im Studio-Blog: So, 30.10.22
 
1Elke Krasny und 2Bernadette Krejs, Christina Lenart, Michael Obrist: Wien. Das Ende des Wohnbaus (als Typologie), ARCH+, 2021

#2 WAS IST FERMENTIERN (und wie fermentieren wir)?

Kaum wo verschmelzen Natur und Kultur zu „NATURECULTURE“ (Donna Haraway) stärker als bei der Zubereitung, Haltbarmachung und Lagerung von Nahrungsmittel. Darüber hinaus erleben wir im Rahmen unserer Beschäftigung mit Fermentierungsprozessen beispielhaft die Bedeutung von „LEBHAFTER MATERIE“ und die Wichtigkeit der Forderung nach „EINER POLITISCHEN ÖKOLOGIE DER DINGE“ (Jane Bannett).
 
Fermentieren klingt nach Alkohol, Gären, Bier und altertümlichem Haltbarmachen. Doch Fermentation ist in unserem Lebensmittelalltag bis heute ein ganz normaler Vorgang, um Lebensmittel reifen oder gar erst entstehen zu lassen – und um diese haltbar zu machen.1
 
In der Biologie und Biotechnologie wird die mikrobielle oder enzymatische Umwandlung organischer Stoffe in sogenannte Bioreaktoren als fermentieren bezeichnet. So können wir Menschen gemeinsam mit Pilzen und Bakterien in einer Art Co-kreation symbiotisch Sauerkraut, Kimchi, Miso, Käse, Joghurt aber auch Tee, Kakao, Kaffee und Tabak oder Bier, Wein und Whisky herstellen.2
 
Was hat fermentieren mit “Arts of living in the post capitalocene” gemeinsam? Was hat Fermentation mit unseren Forderungen aus “FROM CHANGE OF UTOPIAS TO UTOPIAS OF CHANGE” zu tun? Wo seht ihr Zusammenhänge mit unserem Studio Brief bzw. mit unseren Videoclips, Textauszügen und der Leitliteratur?
 
WAS IST FERMENTIERN – und WIE können wir WAS fermentieren? Stellt euch vor die Aufgabe, innerhalb eurer Gruppe über den Begriff „fermentieren“ zu recherchieren und zu diskutieren. Dokumentiert euer gemeinsames Forschen und eure vorläufigen Erkenntnisse daraus audiovisuell.
 
Konzipiert und produziert in 3er bis 4er Teams jeweils ein Video mit ca. 5 Minuten Länge zum Thema „WAS IST FERMENTIERN (und wie fermentieren wir)?“
 
A)    Recherchen und Diskussionen zum Thema bestehend aus Texten und Bildern
–        Abgabe als Eintrag im Studio-Blog: So, 06.11.22
B)    Produktion eines ca. fünfminütigen Videos zum Thema
–        Abgabe des Videos als Eintrag im Studio-Blog: So, 20.10.22
–        Präsentation des Videos im Vertical Studio: Mo, 21.11.22

 
1https://utopia.de/ratgeber/fermentieren-fermentation-so-gehts/ 09.10.2022,13:30
2https://de.wikipedia.org/wiki/Fermentation, 09.10.2022,13:30

#3 WAS IST BAUEN
(und wie bauen wir eine Fermentierungsmanufaktur)?

Feuerstelle, Herd, Küche und Speis sind zentrale Orte des menschlichen Wohnens. Sie erst machen eine Höhle, ein Zelt, ein Haus zu einem anthropozänen Habitat. Kochen, so behaupten Anthropologen, macht uns erst zum Menschen. Mit der Entwicklung von der Nomad:in als Jäger:in und Sammler:in zum sesshaften Menschen entstanden die ersten Siedlungsformen mit Anbau von Pflanzen und Haltung von Tieren. Die ersten Formen der Vorratswirtschaft entwickelten sich. Kulturlandschaft wurde von Naturlandschaft getrennt und als Besitz verteidigt.
 
Bauen ist das Fertigen von Dingen aller Art, im Besonderen von Gebäuden und Möbeln. Wie baue ich in der „Critical Zone“ (Bruno Latour)? Was ist Terrestrische Architektur? Stoppen wir den Verbrauch endlicher Ressourcen. Es gibt keine Entkoppelung von Produktion und Ressourcenverbrauch. Kreislaufwirtschaft anstelle von Abfallwirtschaft: Suffizienz, Konsistenz, Effizienz und Resilienz.
 
Wir sehnen uns dem Ende der Bauhausmoderne entgegen und forschen an der Überwindung der „Frankfurter Küche“: Von der Postwachstumsküche über die Postwachstumsarchitektur zur Postwachstumsstadt. Wie funktioniert eine „Ferm-Kitchen“ oder Fermentierungsmanufaktur und wie sieht sie aus? Wie entwerfe, plane und baue ich eine terrestrische „Ferm-Kitchen“ die gleichzeitig temporär und mobil sein soll.
 
Was hat das Bauen einer „Ferm-Kitchen“ mit “Arts of living in the post capitalocene” gemeinsam? Was hat das Bauen einer „Ferm-Kitchen“ mit unseren Forderungen aus “FROM CHANGE OF UTOPIAS TO UTOPIAS OF CHANGE” zu tun? Wo seht ihr Zusammenhänge mit unserem Studio Brief bzw. mit unseren Videoclips, Textauszügen und der Leitliteratur?
 
WAS IST BAUEN (und wie entwerfe, plane und baue ich eine „Ferm-Kitchen“)? – Stellt euch vor die Aufgabe, innerhalb eurer Gruppe über den Begriff „bauen“ zu recherchieren und zu diskutieren. Dokumentiert euer gemeinsames Forschen und eure vorläufigen Erkenntnisse daraus audiovisuell. Euer Video ist im besten Sinne des Wortes eine „audiovisuelle Gebrauchsanweisung zur Realisierung einer terrestrischen „Ferm-Kitchen“.
 
Konzipiert und produziert in 4er bis 5er Teams jeweils ein Video mit ca. 10 Minuten Länge zum Thema „WAS IST BAUEN (und wie bauen wir eine Fermentierungsmanufaktur)?
 
A)    Idee, Regiekonzept, Storyboard und Videoproben zum Thema
–        Abgabe der Daten als Eintrag im Studio-Blog: So, 27.11.22
–        Präsentation im Vertical Studio: Mo, 28.11.22
 
B)    Produktion eines ca. zehnminütigen Videos zum Thema
–        Abgabe des Videos als Eintrag im Studio-Blog: So, 18.12.22

– Präsentation des Videos im Vertical Studio: Mo, 19.12.22

#4 WAS IST MACHEN (und wie betreiben wir eine Fermentierungsmanufaktur)?

WIR ENTWERFEN UND REALISIEREN EINS ZU EINS. Wir konzipieren, planen, bauen und betreiben eine mobile und temporäre FERMENTIERUNGSMANUFAKTUR für die Vesperkirche (Leonhardskirche) in Stuttgart.
 
In FORMIDABLE FERMENTABLE erforschen wir mit der FERMENTIERUNGSMANUFAKTUR Antworten auf DRINGENDE FRAGEN UNSERES JAHRHUNDERTS aus dem Verantwortungsbereich von Architekt:innen. Wie entwerfen wir Ressourcen-neutrale und CO2-neutrale Architektur? Wie entwerfen wir suffiziente, konsistente, effiziente und resiliente Architektur? Wie kann unsere Architektur zu Ernährungssicherung, Klimaschutz und Biodiversitätserhaltung beitragen? Wie entwerfen wir partizipative, kooperative, artenübergreifende, symbiotische und koevolutionäre Architektur? Wie garantieren wir ökologisch, sozial und ökonomisch faire Arbeit und Produktion in der Architektur?
 
DER ANSPRUCH: Experimentelle Formate, temporäre Umgestaltungen geben Raum für frische Ideen. Alte Hasen mit tiefen Wurzeln im Quartier treffen auf junge Studierende, die die Welt gestalten wollen. Menschen aus der Gemeinde und aus der ganzen Stadt treten in den Dialog miteinander, tauschen sich aus mit Akteuren aus ganz anderen Bezügen. Die Vernetzung mit anderen Projekten und Weltgegenden bereichert und inspiriert die Arbeit vor Ort. (Dangelmaier-Vincon)
 
DIE IDEE: Studierende der Akademie der Bildenden Künste Stuttgart und die Evangelischen Hochschule Ludwigsburg gestalten gemeinsam eine Veranstaltung im Rahmen der Vesperkirche 2023. Dabei werden in und um die Kirche von Studierenden der Kunst-Akademie temporäre künstlerische Elemente entwickelt, die irritieren, informieren und zum Mit- und Weiterdenken anregen. Die Studierenden der EH Ludwigsburg moderieren, fragen nach und geben Impulse zur Diskussion. Ein partizipativer und künstlerischer Prozess, der diejenigen zur Mitgestaltung der Zukunft der Leonhardvorstadt und der Leonhardskirche einlädt, die bislang weitestgehend ausgeschlossen waren. (Rolf Ahlrichs)
 
DIE FERMENTIERUNMGSMANUFAKTUR: Die Akademie beschäftigt sich im Sinne der “Grenzen des Wachstums” (Meadows), dem dringend notwendigem “Change” (Maxton) und der “neuen geosozialen Frage” (Latour) im Wintersemester 2022/2023 mit Entwurf, Planung, Realisierung und Betrieb einer experimentellen, nachhaltigen Fermentationsmanufaktur. Dazu soll in Absprache und Koordination mit allen Verantwortlichen und Beteiligten (Vesperkirche/Leonhardskirche) am letzten Januarwochenende (28. bis 29. Januar 2023) die Fermentationsmanufaktur an einem dazu geeigneten Ort in der Leonhardskirche aufgebaut und am Montag, den 30. Januar im Rahmen des Kulturbegleitprogramms der Vesperkirche der Öffentlichkeit zugänglich machen. Wir wollen gemeinsam mit Freunden und Bekannten, der Kirchengemeinde, den Leuten von der Vesperkirche, Menschen aus dem Quartier und darüber hinaus unterschiedliche biologische Lebensmittel über die Fermentierung produzieren. Die Fermentierungsmanufaktur soll der Leonhardskirche in Zukunft als nachhaltiger Inkubator und als Basis für wiederkehrende Workshops fungieren. Die Leonhardskirche soll dabei als Raum Labor Transformationsprozesse generieren und darstellen.
 
NUR MASTER-STUDIERENDE:
Video-Essay ‘FORMIDABLE FERMENTABLE’ über das Projekt/Semester (auch in Bezug zu unserem Thema Arts of Living in the Postcapitalocene. FROM CHANGE OF UTOPIAS TO UTOPIAS OF CHANGE, usw.)

Aufbau in der Leonhardskirche: Fr, 27.01.23 – So, 29.01.23
Workshop: Mo, 30.01.23 2023
Abbau: Di, 31.01.23 2023
Abgabe Video-Essay (MA): So, 12.02.2023
Präsentation Video-Essay (MA): Mo, 13.02.2023

#5 WAS IST ZITIEREN (und was ist mir besonders wichtig)?

Das Zitat (lateinisch citatum „Angeführtes, Aufgerufenes“ zu lat. citāre „in Bewegung setzen, vorladen“) ist eine wörtlich oder inhaltlich übernommene Stelle aus einem Text oder ein Hinweis auf eine bestimmte Textstelle. Auch Inhalte aus anderen Medien können übernommen werden: Es gibt Bild-, Musik- und Filmzitate.1
 
Im Zentrum eurer Zitatensammlungen stehen die Textauszüge unserer Literatursammlung, Videodokumentationen aus dem Netz und Aussagen unserer Gäste in den Digital Lounges und deren Relevanz zu unserem Thema. Erstellt eine Kategorisierung der Zitate und beschreibt deren Zusammenhänge zur Architektur und der neuen geo-sozialen Frage.
 
Eure Zitatensammlungen dienen einerseits als ständige Reflexion der Lehrveranstaltung und eurer Arbeit im Studio, andererseits formulieren sie erste architektonische Behauptungen zu „Utopias of Change“ und sie verstehen sich auch als inhaltliche Basis für eure eigenen Videos.
 
Dazu gibt es drei Thematisch gestaffelte Abgabe- und Diskussionstermine:
 
A) 
01 Stefan Rahmsdorf u. Hans Joachim Schellnhuber: Der Klimawandel
02 Jane Bennett: Lebhafte Materie: Eine politische Ökologie der Dinge
03 Carolyn Merchant: Der Tod der Natur: Ökologie, Frauen und neuzeitliche Naturwissenschaft
04 Anna Lowenhaupt Tsing: Der Pilz am Ende der Welt
Videodokumentation: Latour und Schellnhuber
Digital Lounge
–        Abgabe als Eintrag im Studio-Blog: So, 06.11.22
–        Präsentation und Diskussion im Vertical Studio: Di, 29.11.22

 
B)   
05 Bruno Latour: Das terrestrische Manifest
06 Merlin Sheldrake: Verwobenes Leben: Wie Pilze unsere Welt formen und unsere Zukunft beeinflussen
07 Stefano Mancuso u. Alessandra Viola: Die Intelligenz der Pflanzen
08 Rosi Braidotti: Posthumanismus: Leben jenseits des Menschen
Videodokumentation: Latour
Digital Lounge
–        Abgabe als Eintrag im Studio-Blog: So, 20.11.22
–        Präsentation und Diskussion im Vertical Studio: Di, 06.12.22

 
C)   
09 Lynn Margulis: Der symbiotische Planet oder wie die Evolution wirklich verlief
10 Donna Haraway: Die Neuerfindung der Natur: Primatien, Cyborgs und Frauen
11 Donna Haraway: Unruhig bleiben. Die Verwandtschaft der Arten im Chthuluzän
12 Sina Kamela Kaufmann u.a.: Wann wenn nicht wir* Ein extinction rebellion Handbuch
Film: ‘Symbiotic Earth’
Digital Lounge

Zuzüglich zu den Zitaten: Essay (ca. 5.000 Zeichen) über die inhaltlichen Zusammenhänge bzw. Unterschiede der Literaturauswahl (auch in Bezug zu unserem Thema Formidable Fermentable, Arts of Living in the Postcapitalocene. FROM CHANGE OF UTOPIAS TO UTOPIAS OF CHANGE)
–        Abgabe als Eintrag im Studio-Blog: So, 08.01.2023
–        Präsentation und Diskussion im Vertical Studio: Mo, 09.01.2023


1https://de.wikipedia.org/wiki/Zitat, 17.10.2022, 20:00