WAS IST ZITIEREN C) Hannah

Der ein allumfassende Wandel zur Abwendung der sich immer weiter zuspitzenden Klimakrise ist ein viel diskutiertes Thema mit dem sich auch BAUKUNST STUDIOS an der ABK befasst. Die Gesamtheit der Begleitliteratur des Kurses bildet einen Rahmen um diesen Wandel und formuliert konkrete Forderungen. Die Lehre des BAUKUNST STUDIOS basiert auf der Annahme, dass es erst eine neue Vision für unser Leben auf der Erde benötigt, damit uns ein solcher Wandel gelingt: „FROM CHANGE OF UTOPIAS TO UTOPIAS OF CHANGE“. Dieses Umdenken beginnt damit, dass wir unsere Wahrnehmung der Welt, die stark von einer patriarchalen, kapitalistischen und eurozentristischen Sozialisierung geprägt ist, hinterfragen müssen.


In dem Buch „Das Terrestrische Manifest“ von Bruno Latour wird als alternativer Blickwinkel eine terrestrische Betrachtung der Welt vorgestellt. Da die Menschheit sich als die vermeintlich intelligenteste Spezies sieht, nehmen wir fälschlicher Weise an, wir ständen über alle anderen Lebewesen, Pflanzen und Mikroorganismen des Planeten. Der terrestrische Blick hingegen versteht unsere Umwelt als eine Co-Creation in der alle ihren Platz haben und eine entscheidende Funktion ausführen. Unsere Natur sei das Resultat zahlreicher in sich ausbalancierter Ökosysteme, die sich permanent in Bewegung befinden, um Ressourcen von einem Zustand in den anderen wandeln. „Jeder von und ist ein Ökosystem – jeder wird von Mikroorganismen aufgebaut und auch zersetzt“, schreibt Merlin Sheldrake in „Verwobenes Leben: Wie Pilze unsere Welt formen und unsere Zukunft beeinflussen“ und zeigt damit, dass selbst der Mensch ein Teilökosystem ist.

Durch die stetig wachsende Weltbevölkerung greifen Menschen weltweit immer mehr in die Natur ein und zerstören Ökosysteme. Die globale Erwärmung des Klimas und das Massenartensterben drohen nun, die Erde so sehr aus ihrem Gleichgewicht zu bringen, dass entscheidende Kipppunkte überschritten werden könnten, die die Geschwindigkeit der Umweltzerstörung drastisch beschleunigen. In dem Buch „Der Pilz am Ende der Welt“ unterscheidet die Autorin Anna Lowenhaupt Tsing in drei Naturbegriffe: eine Natur des Geleichgewichts aller ökologischen Beziehungen, die Natur des durch den Kapitalismus ausgelösten Klimawandels und die Natur dessen was trotz der Umweltschäden bestehen kann. Es bleibt offen, ob dies die Menschheit mit einbezieht.


Doch noch besteht die Chance den Klimawandel aufzuhalten und Ideen zu entwickeln, die uns auf lange Sicht aus der Krise führen. Ein Teil der hierzu benötigten Utopie beinhaltet, die Art, wie wir Arbeiten. „Game over“ nennt Donna Haraway in ihrem Buch „Unruhig bleiben. Die Verwandtschaft der Arten im Chthuluzän“ das Gefühl der Ohnmacht der einzelnen gegen den Klimawandel. Es taucht oft bei Menschen auf, die gut informiert sind und sich allein machtlos fühlen. Anstatt einzeln jede und jeder für sich zu verzweifeln, sollten wir uns zusammenschließen und gemeinsam nach Lösungen suchen. Erstens benötigen wir multiple Lösungen für zahlreiche Probleme, die uns erwarten. Zweitens können wir durch ein Zusammenarbeiten unser Wissen und unsere Fähigkeiten bündeln, ähnlich wie bei der Schwarmintelligenz einiger Tiere und Pflanzen.

In der Architektur ist schon heute der Wunsch erkennbar in Zukunft weg von der Erzählung der Stararchitekt:innen zu kommen und hin zum kollektiven Arbeiten, so dass alle Beteiligten zu gleichen Teilen Anerkennung erhalten. Dieses Denken wir bereits in den Universitäten durch Gruppenprojekte und die Unterstützung untereinander wie in den Ateliers der ABK gefördert.

Auch mit Blick in die Zukunft müssen wir die Unabdinglichkeit aller anerkennen und wertschätzen. Obwohl jede und jeder einzelne einen Unterschied macht, gibt es Menschen mit höheren Wirkungsgraden als andere. Dazu kommt, dass nicht alle Menschen gleichermaßen für die Bedrohung unseres Klimas verantwortlich sind. Zu einem enorm großen Anteil sind es die Bevölkerungen der Industriestaaten, die für die Klimaschäden in die Verantwortung gezogen werden müssen. Die Verteilung derjenigen die Auslöser unserer heutigen Lage sind und den vielen, die nun darunter leiden, erzeugt ein extremes Ungleichgewicht, das es gilt, wieder herzustellen.

Ein weiterer Teil, der durch die Literatur eingeführten Utopie besteht laut Rosi Braidotti in einer neuen „posthumanen“ Ethik. Sie fordet eine Anpassung unseres Ethikverständnisses an die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die wir mittlerweile erlangt haben. Der Mensch ist nicht das einzige Lebewesen mit einer ausgeprägten Intelligenz. Vor diesem Hintergrund müssen wir eingestehen, dass unsere gedachte Legitimation für den uneingeschränkten Konsum von Ressourcen nicht mehr valide ist. Streng genommen kann jede Pflanzen- oder Tierart durch die Fähigkeit des Überlebens als intelligent betrachtet werden, behaupten Stefano Mancusso und Alessandra Viola in „Die Intelligenz der Pflanzen“. „Von Individuen zu sprechen hat keinen Sinn mehr“, schreibt Sheldrake, da bei genauerem Betrachten der Stoffkreisläufe ein eindeutiges Abtrennen einzelner Individuen fragwürdig wird. Auch wir Menschen nehmen Einfluss und werden beeinflusst. Wieso also nicht die Natur in unsere Entscheidungen einbeziehen und eine höhere Wertigkeit zusprechen?

Genau das passiert in dem Projekt „Formidable Fermentable“. Wir planen einen Ausschnitt einer terrestrischen Wohnung. Eine Küche, die auch für Mikroorganismen ausgelegt ist und zudem Lösungen zum achtsamen Umgang mit unseren Ressourcen anbietet. Unsere „Ferm-Kitchen“ ist ein erster Schritt, um unsere Utopien in die Tat umzusetzen.


„Wenn weder die gewählte Volksvertretung noch das Gesetz den angemessenen Schutz und das Wohlergehen der Bevölkerung gewährleisten können, liegt es in der Hand der Bürgerinnen, die notwenigen Veränderungen einzuleiten“ (S. 11, Z. 11 ff.), schreiben die Autor:innen von „Wann wenn nicht wir* Ein extinction rebellion Handbuch“ und fordert damit alle auf aktiv zu werden gegen den Klimawandel.