WAS IST ZITIEREN? (A)

Was ist Zitieren? und wie schmecken eigentlich Heidelbeeren?

Stefan Rahmsdorf – Hans Joachim Schellnhuber, Der Klimawandel

  • Eine Emission, die den Verursachern 100 Milliarden US-Dollar Nutzen bringt, die aber anderswo 99 Milliarden US-Dollar Schaden verursacht, ist damit ausdrücklich erwünscht. (S. 94, Z. 30ff.).
  • Gemeint ist damit vor allem, dass die von Menschen angestoßene Änderung der globalen Mitteltemperatur 2°C insgesamt nicht übersteigen und gleichzeitig die Temperaturänderungsrate für die Erde nicht höher als 0,2°C pro Dekade ausfallen soll. Dabei handelt es sich letztlich um eine normative Setzung, wie sie beim Umgang mit kollektiven Risiken sinnvoll und üblich ist – ähnlich etwa der Geschwindigkeitsbegrenzung auf Landstraßen, deren exakter Wert sich nicht wissenschaftlich herleiten lässt und somit Ergebnis einer Abwägung ist. (S. 97, Z. 11ff.).
  • Er kann bestätigen, dass das mit der heißen Nadel gestrickte und mit entsprechenden Gewebefehlern behaftete Vertragswerk letztlich durch den Ergebniswillen des damaligen US-Präsidentengespanns Clinton-Gore erzwungen wurde. Eine gewisse Ironie der Geschichte angesichts der unerbittlichen Ablehnung des Kyoto-Protokolls durch die folgenden US-Regierungen. (S. 99, Z. 5ff.)
  • Ein Knackpunkt dabei war der Interessenausgleich zwischen Industriestaaten und den Entwicklungs- und Schwellenländern. Letztere haben zwar noch niedrigere Pro-Kopf-Emissionen, dabei aber große Zuwachsraten. Ein Klimaschutz-Regime, das diesen Trend nicht umzubiegen vermag, indem es die Entwicklungs- und Schwellenländer auf nachhaltige und gerechte Weise ins Boot holt, ist zum Scheitern verurteilt – selbst wenn die reichen Staaten ihren Verpflichtungen nachkommen sollten. (S. 100, Z. 28ff.).
  • In den letzten Jahren wurde allerdings immer stärker argumentiert, dass Emissionshandel mit einem Mindestpreis untersetzt sein müsste. Auch werden unter Ökonomen die Rufe nach einer direkten CO2 – Steuer lauter. (S. 105, Z. 3ff.).
  • Das wahre Potenzial der Windkraft liegt jedoch nicht hierzulande, sondern in einem transeuropäischen Verbund, durch den der europäische Strombedarf fast vollständig von den besten Windstandorten in und um Europa gedeckt werden könnte. (S. 106, Z. 19ff.).
  • 1. Jeder Mensch ist nicht nur vor dem Gesetz, sondern auch vor der Natur gleich. 2. Wer den Klimaschaden anrichtet, soll auch dafür geradestehen („Polluter Pays Principle“). (S. 107, Z. 22ff.).
  • Jede Erdenbürgerin und jeder Erdenbürger hat exakt den gleichen Anspruch auf die Belastung der Atmosphäre, die zu den wenigen „globalen Allmenden“ zählt. (S. 108, Z. 11ff.).
  • […] – die Erde verzeiht uns vergangene Sünden nur sehr langsam. (S. 108, Z. 12f.).
  • Dennoch würden die volkswirtschaftlichen Einbußen auch so bereits rund zwanzigmal so hoch liegen wie die Kosten der Klimastabilisierung auf einem akzeptablen Niveau! Von praktisch unersetzlichen Werten wie menschlicher Gesundheit, kultureller Heimat oder Naturerbe ist bei diesem Kalkül noch nicht einmal die Rede. (S. 109, Z. 29ff.).
  • Im Idealfall bedarf es tatsächlich nur einer cleveren und kostenlosen Umstellung des Alltagsverhaltens, die vielleicht sogar noch zusätzliche Lebensqualität schafft: […] (S. 110, Z. 23ff.).
  • Insbesondere wird gelegentlich versucht, die grundsätzliche Überlegenheit von lokalen, kurzfristigen Bewältigungsmaßnahmen gegenüber globalen, langfristigen CO2 – Reduktionsstrategien aufzuzeigen. Solche Gedankengänge verkennen allerdings Charakter und Ausmaß der mit dem Klimawandel verbundenen Herausforderungen. (S. 113, Z.26ff.).
  • Wenn man also diese Individualakteure der Volkswirtschaft für einen nachhaltigeren Umgang mit Energie gewinnen könnte, dann wären viele Anpassungsleistungen am Ende der Klimawirkungskette gar nicht mehr notwendig. (S. 116, Z. 9ff.).
  • Neben der „sichtbaren Hand“ des Staates braucht es vor allem aber ein Narrativ, eine gute Geschichte der Transformation, in der die Menschen gerne vorkommen wollen. (S. 127, S. 24ff.).
  • In analoger Weise könnte ein einfaches, aber ehrgeiziges Narrativ eben auch eine Exponentialdynamik zur Überwindung des fossilen Wirtschaftens anstoßen. Angesichts der immer mehr ins Bewusstsein drängenden Kollateralschäden dieser Betriebsweise zusätzlich zur Klimastabilisierung – […]. (S. 128, Z. 17ff.).
  • Die historische Erfahrung lehrt leider, dass die Menschheit in tiefer Krise nur allzu bereit ist, zu den fragwürdigsten Mitteln zu greifen und den Korken aus der vermeintlichen Wunderflasche zu ziehen. (S. 134, Z. 25ff.).

Jane Bennett, Lebhafte Materie. Eine politische Ökologie der Dinge

  • Mehrere jüngere Studien legen den Schluss nahe, Fett (nicht das Fett in Kartoffelchips, sondern die Omega-3-Fettsäure in einigen Wildfischen) könne Gefängnisinsassen weniger gewalttätig, Schulkinder konzentrierter und Manisch-Depressive weniger depressionsanfällig machen. (S. 84, Z. 17ff.)
  • In dem Bild, das sich aus Nietzsches verstreuten Bemerkungen zu Lebensmitteln ergibt, erscheint essbare Materie als mächtiger Akteur: als Stoff, der die menschliche Materie verändert, mit der er in Berührung kommt. (S. 89, Z. 6ff.).
  • Wie eine Matroschkapuppe enthält jedes Gefüge eine Reihe weiterer, stetig kleiner werdender Gefüge: funktionale Gruppierungen von Aktanten innerhalb von umfassenderen, komplexeren Ansammlungen. (S. 90-91, Z. 31ff).
  • Ein wenig Brot und ein paar Kartoffeln hätten es auch getan und weniger Müll und Schmutz verursacht. [Thoreau] (S. 92-93, Z. 33ff.).
  • Es ist jedenfalls ein Irrtum anzunehmen, daß jemand wisse, wie Heidelbeeren schmecken, der sie nicht selbst gepflückt hat. […] Der ambrosische und wesentliche Gehalt der Frucht geht mit dem Flaum, der sich im Marktkarren anreibt, verloren, sie ist dann nur noch Futter. [Thoreau] (S. 93-94, Z. 30ff.).
  • Der essbare Gegenstand wird durch den Essenden vollständig, verwandelt, in ihn hineintransformiert. [Kass] (S. 94, S. 35f.).
  • Die Nahrungsaufnahme stellt sich somit als Reihe wechselseitiger Transformationen dar, die die Grenze zwischen Innen und Außen verwischen: Meine Mahlzeit ist zugleich meine und nicht meine; die bist das, was du isst, und bist es zugleich nicht. (S. 96, Z. 30ff.).
  • Ihrem Manifest zufolge verschreibt sich die Slow-Food-Bewegung dem Hüten des Bodens und einer ökologischen vernünftigen Lebensmittelproduktion; der Wiederentdeckung von Küche und Esstisch als Zentren des Genusses, der Kultur und der Gemeinschaft; der Förderung und Verbreitung regionaler, saisonaler kulinarischer Traditionen; der Schaffen einer auf Zusammenarbeit beruhenden, ökologische ausgerichteten und rechtschaffenen Globalisierung sowie der Kultivierung eines langsameren und harmonischen Lebensrhythmus. (S. 98, Z. 15ff.).

Carolyne Merchant, Der Tod der Natur. Ökologie, Frauen und neuzeitliche Naturwissenschaft

  • Der Materie äußerlich sind auch diverse Wirkprinzipien wie Schwerkraft, Fermentation und Kohäsion, die man braucht, um Veränderungen und Wirkungen zu erklären, die durch äußere Einwirkung hervorgerufen werden. (S. 299, Z. 16ff.).
  • Im mechanistischen Denken wird also der Primat des Prozesses abgelöst von der Stabilität der Struktur. (S. 300, Z. 6f.).
  • War Gott ein rationaler Schöpfer, der eine perfekt funktionierende und jederzeit in bestem Zustand befindliche Maschine konstruiert hatte, oder bedurfte die Maschine seines Eingreifens und seiner Pflege, um nicht schadhaft zu werden und letztlich stehenzubleiben. (S. 303, Z. 15ff.).
  • In der organischen Analogie der Griechen ordnet sich die natürliche Welt rational und nach immanenten Gesetzten selber ihrer Bewegungen, während das mechanische Weltbild davon ausgeht, dass die Welt weder Leben noch Intelligenz besitzt, weshalb ihre Bewegungen regelmäßig sind und ihr von außen, in Gestalt der Naturgesetze, auferlegt werden. (S. 304, S. 13ff.).
  • Der bei der Fermentation erzeugte vegetative Geist ist „das universale Agens der Natur, ihr geheimes Feuer, das einzige Ferment und Prinzip aller Vegetation.“ (S. 308, Z. 6ff.).
  • Das Leben aller Materie ist auf eine sanfte Wärme angewiesen, um Leben hervorbringen zu können; ihr Ausbleiben führt zum Tod. Die kontinuierliche Quelle neuen Lebens ist deshalb frische Fermentation. (S. 308, Z. 21ff.).
  • Aber Fermentation war nicht nur eine wesentliche Ursache von gewaltsamen Bewegungen, die aus chemischen Reaktionen entstanden, sie war auch eine Ursache für die Lebensbewegungen von Tieren und Pflanzen. Sie war verantwortlich für „das Schlagen des Herzens durch Atmung“ und „perpetuierliche Bewegung und Wärme.“ Ohne das aktive Prinzip der Fermentation würde „alles – Fäulnis, Fortpflanzung, Wachstum und Leben – aufhören.“ (S. 309, Z. 17ff.).
  • Eine Selbstversorgungswirtschaft, in der Ressourcen, Güter, Geld oder Arbeitskraft gegen Waren getauscht wurden, ist vielerorts einer tendenziell unbegrenzten Profitakkumulierung auf einem internationalen Markt gewichen. Die lebendige, beseelte Natur ist gestorben, während das tote, seelenlose Geld mit Leben erfüllt worden ist. (S. 311, Z. 19ff.).

Anne Lowenhaupt Tsing, Der Pilz am Ende der Welt

  • Wie virtuelle Teilchen in einem Quantenfeld tauchen verschiedene Zukünfte in und aus einem Möglichkeitsfeld auf; die dritte Natur entsteht in einer solchen zeitlichen Polyfonie. Die Fortschrittserzählungen haben uns blind gemacht. (S. 9, Z. 1ff.).

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